Das HANOMAG Löschgruppenfahrzeug LF 8/8
Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik Deutschland Anfang der fünfziger Jahre war die Beschaffung eines modernen Löschfahrzeuges zur Brand- und Hilfeleistung für die politische Gemeinde Algermissen unumgänglich. In den Jahren 1953/54 wurde von den Verantwortlichen ein Konzept mit dem Resultat erarbeitet, ein Löschfahrzeug LF8 mit Vorbaupumpe und eingeschobener TS 8, sowie die erforderliche feuerwehrtechnische Beladung anzuschaffen. Man entschied sich für das bewährte HANOMAG Fahrgestell L28 - 2,5 to. mit einer Dieselmotorleistung von 65 PS und einen Hubraum von 2800 ccm. Der Fahrzeugaufbau wurde von der Fachfirma Bachert in Kochendorf bei Heilbronn gefertigt. Die Fertigstellung war am 16.12.1954. Am 7. Januar 1955 wurde das Fahrzeug mit dem Kennzeichen B/N 94-6738 zugelassen, das zur damaligen Zeit für die britische Besatzungszone Niedersachsen stand. Im Laufe der Jahre gab es dann die noch heutige gültige Kennzeichnung HI-AT 271.
Dieses nun neu erworbene Fahrzeug brachte einen personellen Aufschwung in die Feuerwehr. War es am Anfang eine Löschgruppe, so bildeten sich nach und nach bis zu vier Gruppen, die mit dem Fahrzeug Einsätze und Ausbildung absolvierten. Ein entsprechendes Feuerwehrhaus gab es zu dieser Zeit noch nicht, wobei das Fahrzeug im ehemaligen Kohlenschuppen der Kohlenhandlung Knieke untergestellt war. Viele Brand- und Hilfeleistungseinsätze hat der HANOMAG bewältigt, aber auch bei Wettkämpfen wurden große Leistungen und erste Plätze erreicht.
Bewertungsplaketten in Gold, Silber und Bronze bei den Bezirkswettkämpfen sind noch heute an der Motorhaube zu bestaunen. Der größte Einsatz war der verheerende Heidebrand 1975, bei dem die Bereitschaftsgruppe mehrere Tage aus dem Elbe-Seitenkanal bei Stüde Wasser für die Löscharbeiten pumpen musste. Eine große Leistung für Mannschaft und Gerät. Im Jahre 1977 wurde die erste Jugendfeuerwehr gegründet. Etwa 15 Jungen waren begeistert dabei und bekamen am HANOMAG-Fahrzeug und der TS 8 die feuerwehrtechnische Ausbildung und ab diesem Tage stand durch den Übungsbetrieb der Gruppen und der Jugendfeuerwehr das Fahrzeug kein Wochentagabend mehr still. 1983 war es dann so weit, nach 28 Dienstjahren ohne technische Ausfälle, aber nicht mehr auf dem neuesten Stand der geforderten Technik, wurde das Löschgruppenfahrzeug HANOMAG am 2.2.1983 außer Dienst gestellt und abgemeldet.
Nach der Stilllegung 1983 wurde von der Feuerwehr die Erhaltung des HANOMAG diskutiert und befürwortet. Da aber im Feuerwehrhaus für die Unterstellung kein Platz vorhanden war, hatte das Fahrzeug im Laufe der Jahre verschiedene Standorte. Davon einige Jahre in einer Scheune oder stillgelegten Stallung. Und immer wieder wurde von den Feuerwehrkameraden die Restaurierung angesprochen und gefordert, doch niemand von den Fordernden war bereit Unterkunft zu stellen und Hand anzulegen. So wurde das Fahrzeug dann von der Gemeinde zur Verschrottung freigegeben und am Bauhof ohne Unterstand stationiert. Hier stand der HANOMAG dann in offener Witterung, einige Teile wie Blaulicht, Blinklicht, Arbeitsscheinwerfer, Leiterteile, Birnen und Scheinwerfer fehlten schon. Als ich von der misslichen Lage erfuhr, war für mich klar, um das Fahrzeug zu retten, musste schnell gehandelt werden. Also suchte ich einige interessierte Kameraden, die auch schnell gefunden wurden. Die Sachlage wurde besprochen, das Interesse war vorhanden.
Eine HANOMAG-Interessengemeinschaft wurde ins Leben gerufen zu der die Kameraden Johannes Bode, Rudolf Bießmann, Bernward Voges, Joachim Machens, Heinrich Voges, Günter Dreier, Franz Kawulak und kurze Zeit später auch Michael Breihahn gehörten. Mit diesem Ergebnis und unserem Vorhaben wurden wir beim damaligen Gemeindedirektor Klaus Grote vorstellig und trugen unser Anliegen vor. Auch er war begeistert von unserer Idee und übergab das Fahrzeug kostenlos in unserem Besitz. Jetzt stand fest, der HANOMAG kann gerettet werden. Als nächster Schritt wurde festgelegt wo das Fahrzeug untergestellt werden kann. Unser Mitglied Joachim Machens erklärte sich bereit, einen Teil seiner neuen Fahrzeughalle für die Restauration zur Verfügung zu stellen. So wurde der HANOMAG, auch Hanopeter oder Emma genannt, aus seiner misslichen Lage zur neuen Unterkunft geschleppt.
Dann ging es zur Sache, die ersten Arbeiten begannen. Türen, Klappen, Hauben, Dachaufbau, Innenausbau und die komplette elektrische Anlage wurden ausgebaut. Alle Teile wurden sorgsam begutachtet, bezeichnet und registriert. So stand es nun da, das Skelett unseres HANOMAGs – im Hinterkopf immer der Gedanke – schaffen wir es? Der Unterbau, Rahmen, Gestänge und Achsen waren in guten Zustand und ohne Rost. Doch an den Türen, Radkästen und an der Frontschürze hatte der Zahn der Zeit genagt. Blechteile oder Einschweißbleche gab es als Ersatzteile nicht mehr, so dass alle Ausbesserungsteile von Hand gefertigt, bearbeitet und eingepasst wurden. Für Laien eine nicht einfache Aufgabe, aber mit Geduld geht alles. Schnell wurde uns klar, dass nun noch einiges an Werkzeug wie Schweiß- und Elektrogeräte oder eine Werkbank fehlte. Nach reichlicher Überlegung einen geeigneten Platz zu finden, wurden wir in der alten Ziegelei fündig. Uns wurde ein großzügiger Platz in einer Lagerhalle angeboten, eine Werkstatt mit allen erforderlichen Mitteln und ein kleiner beheizbarer Raum um Werkzeug abzustellen war ebenso vorhanden. Jetzt hatten wir ideale Bedingungen, um unser Vorhaben weiterzuführen. Vereinbart hatten wir uns einmal in der Woche abends zu den Arbeiten zu treffen. Im Laufe der Jahre gingen die Restaurationsarbeiten flott voran, und nach jedem fertigen Teil war die Motivation wieder gegeben. Der Unterbau des Fahrzeuges war fertig, fein und sauber schwarz lackiert, der Aufbau geschliffen und grundiert, der Innenausbau, alles aus Lärchen- und Furnierholz war geschliffen und lackiert, wobei einige Teile erneuert werden mussten.
Nun stand uns der schwierigste Teil der Restaurierung bevor: Die komplette Neulackierung in den Farben rot-schwarz und Silber. Nach Gesprächen über die uns zu erwartenden Kosten mit der Firma Reiner Mielenz, erklärte sich Herr Mielenz bereit, als Sponsor, das Feuerwehrfahrzeug kostenlos zu lackieren. Wir waren erstaunt und erleichtert, den mit so einer Großzügigkeit hatten wir nicht gerechnet, worauf schon vorab ein „Danke“ folgte.
Nach einer Woche holten wir das Fahrzeug dann von der Fa. Milenz ab. Nun stand er da, der neu lackierte HANOMAG, eine Faszination in rot-schwarz und Silber, und von dieser Stunde an wussten wir, dass es ein Schmuckstück auf 4 Rädern werden würde. Der nun folgende Ein- und Aufbau von Türen, Klappen, Haube und der Innenholzauskleidung ging zügig voran, alle Teile waren vorher bearbeitet und angepasst worden und brauchten nur noch verschraubt werden. So nach und nach stellten sich auch die vorher entwendeten Teile wie Blaulicht, Leiterteile, Arbeitsscheinwerfer und andere Kleinteile wieder ein, so dass alle Teile im Original vorhanden sind. Einen großen Schreck bereitete der erste Start des Motors. Vom Anlassen und Laufgeräusch des Motors her, der ja gerade mal 28.000 km gelaufen hatte, gab es kein Problem.
Aber das Kühlwasser machte uns Sorgen. Daraufhin zogen wir den Hanomag-Fachmann Josef Uthoff zu Rate. Nach gründlicher Begutachtung und mit düsterer Mine gab er uns das Resultat bekannt: „Zylinderkopfriss“. Ein Schock für uns alle. Ratlosigkeit in der Runde, mit der bangen Frage, wo bekommt man einen Zylinderkopf samt Dichtung für ein 45 Jahre altes Fahrzeug her. Es gab nur eine Möglichkeit: telefonieren und in HANOMAG-Kreisen suchen. Der Zufall war es, der nach einigen Wochen zum Erfolg führte: Josef Uthoff war bei einem Landwirt fündig geworden, der uns dann auch das ersehnte Teil verkaufte. Jetzt galt es den gebrauchten Zylinderkopf zu wechseln, Josef und Andreas Uthoff als Fachleute meisterten dieses mit Erfolg, und der Motor lief wieder wie neu. Weitere Installationen folgten. Neue Bremszylinder und Kolben wurden über das Internet besorgt, neue Reifen aufgezogen, die komplizierte Bremstrommelanlage fachmännisch von Andreas Even Senior eingebaut, die komplette elektrische Anlage wurde neu verkabelt, selbst die in den 50iger Jahren als richtungsanzeigende Winker, sind wieder funktionsfähig. Alles in allem 11 Jahre Restaurationsarbeiten und Kopfzerbrechen für unseren HANOMAG.
Dann war es so weit, für die Zulassung wurde von der Kraftfahrzeugversicherung ein Fahrzeuggutachten für Oldtimer verlangt, dass von der Fa. Classic Data mit der Note 2+ in der Bewertung stand, ein freudiges Ereignis für all unsere Mühe und Arbeit. Die letzte Hürde war der TÜV, zur Hauptabnahme-Sonderuntersuchung bei der Fa. Gronstedt in Algermissen. Ein Herr vom TÜV Nord, der speziell für Oldtimerfahrzeuge zuständige Abnahmebeamte, bescheinigte dann eine TÜV-Abnahme ohne Mängel und somit konnte dann die Straßenverkehrszulassung mit dem Kennzeichen HI-AT 71H, am 26. April 2002 erfolgen.
Eine mühevolle Arbeit und Ausdauer hat sich gelohnt, um diesen HANOMAG LF 8 Oldtimerfahrzeug im 50igsten Lebensjahr, dem Feuerwehrnachwuchs und allen die mit diesem Fahrzeug ihren freiwilligen Feuerwehrdienst geleistet haben, zu pflegen und zu erhalten. Die HANOMAG-Interessengemeinschaft bedankt sich bei allen, die uns bei der Restauration materiell, finanziell und arbeitsmäßig unterstützt und begleitet haben, mit einem „DANK“ und Gut Wehr.
Text Johannes Bode († 2. Februar 2016) aus Festschrift FFW Algermissen 2004